Das Ziel in greifbarer Nähe - der Chli Aubrig

Schwyz: die Nicht-Besteigung des Chli Aubrigs

Die Aubrig-Brüder Gross und Chli Aubrig dominieren das Gebiet zwischen den beiden Stauseen Sihlsee und Wägitalersee. Die beiden markanten Felsendome sind vom Sattelegg-Pass aus gut und schnell erreichbar. Warum also nicht das schöne Herbstwetter für eine Besteigung nutzen?

Nach eingehendem Kartenstudium war die Stossrichtung klar, der Chli Aubrig auserwählt und eine Rundwanderung ab der Sattelegg ausgetüftelt. Der Wetterbericht verspricht schönes Herbstwetter – also ab in die Höhe.


Region: Schwyz, Vorderthal, Sattelegg
Tour Datum: 02.10.2011
Wandern Schwierigkeit: T2 – Wandern (siehe » Alpinwanderskala)
Wegpunkte: » Sattelegg – Unterer Alten – Ober Alten – Wildegg – Sattelegg
Karten: Landeskarte 1:25 000, Blatt 1133 Linthebene; geo.admin-Karte: Digitale Wanderkarte
Zeitbedarf: ca. 3 – 4 Stunden
Aufstieg: ca. 400 Höhenmeter
Abstieg: ca. 300 Höhenmeter
Für Kinder: hohler Baum
Restaurants: Passrestaurant Sattelegg, Alp Wildegg, Alp Ahoreli
ÖV-Anbindung: keine auf der Sattelegg

Überfüllter Parkplatz – (fast) einsamer Wanderweg

Wie an jedem schönen Sonntag ist der Parkplatz auf der Passhöhe der Sattelegg auch diesmal wieder proppenvoll. Autos kurven umher, ein Plätzchen suchend. Wiesen und Feldwege werden als alternative Möglichkeit ausgesucht. Nach erfolgreichem Abstellen des geliebten Bleches wird im Eilmarsch die Terrasse des Restaurants eingenommen.

Uns zieht es in die andere Richtung. Die beiden mächtigen Felsen, Chli und Gross Aubrig, stellen sich dominant in Pose, scheinen einen locken zu wollen. Am Ende des Parkplatzes gabelt sich bereits der Weg, wir wählen den linken in Richtung »Unterer Alten«. Wie gut die Wahl ist, wird sich später noch zeigen.

Hohler Baum und Hochmoor

Der breite Kiesweg führt leicht abwärts weg vom Trubel auf der Passhöhe. Schon nach wenigen Minuten ist der Lärm der Passhöhe weg, nur ab und zu ist ein Fahrzeug auf der Passstrasse zu hören. Weit weg und wie in Watte gepackt. Obwohl der Kalender schon Oktober schreibt, zeigt die Natur nur wenige herbstliche Farben. Hat auch noch Zeit. Bei mehr als 20 Grad Lufttemperatur ist mir auch noch nicht nach Herbst. Geniessen wir es, solange es noch geht.

Nach einer scharfen Kurve taucht ein grosser alter Baum am Horizont auf. Eine Leiter ist an ihm festgeschraubt. Eine Tafel beschriftet den Baum mit einer grossen zwei. Offenbar ein Naturlehrpfad, leider habe ich bis jetzt nichts darüber gefunden. Falls Sie, lieber Leser, Genaueres wissen, lassen Sie mich nicht im Dunkeln tappen. Vielen Dank. Der Baum jedenfalls erweckt des Juniors Neugier. Die Leiter wird erklommen und der hohle Baum begutachtet. Höchst interessant. Hohl und doch voller Leben. Faszinierend, die Bäume.

Faszinierend auch der weitere Weg. Die Markierungen werden spärlicher, der Boden sumpfiger. Bei jedem Schritt schmatzt der Boden, der Untergrund ist weich und nass. Bald sind die dunkelblauen Wanderschuhe schmutzig braun. Der Aufstieg muss ohne Stöcke gemeistert werden. Unsere Wanderstöcke, noch ohne Schneeteller, bringen hier gar nichts. Später erfahren wir, dass wir heute einen sehr trockenen Aufstieg hatten. Normal ist das Gebiet viel feuchter. Einen Schuh voll Wasser herauszuziehen, ist offenbar völlig normal.

Unterer Alten – der Senn packt

Die Sennhütte Unterer Alten ist nach einer knappen Stunde erreicht. Der Senn ist gerade dabei, die Hütte winterfest zu machen. Bänke und Tische werden verräumt, alles geputzt, gewienert und poliert. Die Alpsaison ist vorbei.
Die Sicht auf die beiden Aubrige ist gewaltig. Majestätisch erheben sich die beiden Felstürme vor einem. Der rechte, der kleine Aubrig, ist das heutige Ziel. Weiter geht es, doch leider auf dem falschen Weg.

Der Weg ist gut markiert, nur leider ist es der falsche. Wir hätten rechts oben, am Fuss des Chli Aubrigs, bleiben müssen. Eine entsprechende Markierung habe ich leider nicht gesehen, war wahrscheinlich weiter oben. Der falsche Weg führt zuerst steil abwärts ins Tobel des Chratzerlibaches und dann ebenso steil aufwärts zur Alpwirtschaft Ahoreli. Ist das vielleicht versteckte Wirtschaftsförderung?

Kinder in dieser Tobelquerung zu motivieren, braucht viel Kraft. Der steile Aufstieg raubt dem Junior nicht nur Kraft und Atem, sondern auch die Motivation. Nach dem Aufstieg folgt ein kurzes, ebenes Stück Kiesstrasse. Leider nicht lange, bald schon müssen wieder sumpfige Wiesen durchquert werden. Ein Weg ist nicht auszumachen: Folge der Nase. Fehlt nur noch der Nebel und wir würden uns in Schottland wähnen. Aber schön ist es hier. Und ruhig. Wer stehen bleibt, hört nur Tierstimmen und das leise Rauschen des Windes. Kaum ein Geräusch der »Zivilisation« ist auszumachen. Eine Wohltat.

Ober Alten – wieder schlechte Wegmarkierung

Ober Alten, eine weitere Alp, ist bald erreicht. Auch hier ist die Wegführung nicht ganz klar. Wer den steilen Aufstieg knapp unter die Gebäude gemeistert hat und dem logischen Weg geradeaus folgt, läuft unweigerlich falsch. Der Weg, übrigens mit Markierungen versehen, endet irgendwann im Nirgendwo. Zwei Möglichkeiten bieten sich. Zurück und Aufstieg auf dem richtigen Weg oder Direttissima den Hang hinauf zum lockenden Wegweiser auf der Kuppe.

Mein Junior gibt Forfait, will weder vor- noch zurück. Und schon gar nicht mehr auf den Chli Aubrig. Die letzten 100 steilen Höhenmeter haben ihm den Rest gegeben. Die kurzen Beinchen mögen nicht mehr. Aussicht hin oder her, er will nicht mehr. Nach einer kurzen Pause und gut Zureden beschliessen wir demokratisch, den Chli Aubrig heute nicht zu besteigen.

Ist doch mal was anderes. Eine Nicht-Besteigung. Jeder steigt auf Bergspitzen, aber ein konsequentes Nicht-Besteigen – das ist schon fast revolutionär. Jedenfalls für den Kleinen. Mir ist es egal, muss ja nicht immer nach meinem Kopf gehen. Der Aufstieg zum Wegweiser wird jedenfalls gemeinsam in Angriff genommen und auch gemeistert.

Blick zurück. Unterer und Ober Alten liegen weit zurück. In der Ferne glitzert der Zürichsee verschwommen und der im Frühling bestiegene Stockberg wirkt klein von hier oben. Vom Wegweiser sind es nur noch fünf Minuten zur Wildegg, unserem nächsten Etappenziel.

Wildegg – gesegnete Alpwirtschaft

Die Alpwirtschaft Wildegg liegt auf einer Felsnase unterhalb des Altenberges und des Chli Aubrigs. Die Aussicht ist grandios, die Wirtsleute damit gesegnet. Schade, ist die Fernsicht getrübt und kenne ich nur wenige Berge mit Namen. Den grossen Mythen, das wieder schneebedeckte Vrenelis-Gärtli und den Tödi erkenne ich aber auf Anhieb. Falls Sie auch nur wenige Berge kennen, im Garten der Wirtschaft steht eine Panoramatafel.

Die Wirtschaft empfängt uns mit Livemusik. Wirt und Kollege haben spontan Handorgel und Kontrabass gepackt und spielen fröhlich auf. Die Getränke-Karte stimmt den Familienvater fröhlich. Die Preise sind, für eine Wirtschaft auf dem Berg, günstig. Ein Mineral für drei Franken, wo gibt’s das heute noch?

Abstieg in die Zivilisation

Von der Wildegg aus gibt es nur noch eine Richtung – abwärts. Der jetzt immer trockene, teils steile und felsige Weg führt uns schnell zurück in die Zivilisation. Hier ist einiges mehr los als auf der anderen Seite des Berges. Der Weg vom Pass zur Wildegg und zurück ist beliebt. Auch weniger anstrengend als unsere Rundtour. Doch ist unsere Variante ebenso lohnenswert. Viel zu schnell sind wir unten. Die Sonne versinkt langsam am Horizont und der Parkplatz kommt in Sicht. Die Zivilisation hat uns wieder. Ich werde noch einige Arbeitstage von der Wanderung und der Ruhe und Stille zehren.

Zum Schluss Folgendes: Das Moor, die Aussicht, die steilen Aufstiege – ich würde die Tour wieder so begehen. Rund um den Chli Aubrig. Vielleicht gehen wir nächstes Mal hinauf. Oder auch nicht.

Links:

Fotos von der Wanderung:

Ein Gedanke zu „Schwyz: die Nicht-Besteigung des Chli Aubrigs“

  1. Leser Walti Ametzel hat den gesuchten Naturpfad im weltweiten Datennetz entdeckt. NaTour Spass heisst das ganze und ist in Heft-Form erhältlich. Der Link ist unter den Links eingetragen.

    Herzlichen Dank, lieber Walti.

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