Der unsinnige Brückenweg

Kolumne: von Hängebrücken und Wegzöllen

Und wieder sorgt eine Hängebrücke für Schlagzeilen. Gemeint ist die neue Hängebrücke über die Gummischlucht bei Sigriswil am schönen Thunersee. Am 14. Oktober 2012 eröffnet, zieht sie bereits Massen von Touristen an. Doch viele kehren um, ohne die Brücke überquert zu haben. Der Gang über die Schlucht kostet acht Franken. Brücken- oder Wegzoll wird die Gebühr in Leserbriefen genannt.

Der Betrag ermöglicht die Retour-Überquerung der Brücke, also hin und zurück. Gemäss Webseite des Vereines gibt es keine Einweg-Tickets, was ja dem Sinn des Panoramaweges am ehesten entsprechen würde. Auch keine Familien-Ermässigung, nur Einwohner der elf umliegenden Sigriswiler Dörfer dürfen die Brücke gratis nutzen. Allerdings hat Sigriswil den Bau der Brücke auch mit einem zinslosen Darlehen ermöglicht, und es wäre demnach frech, dem Steuerzahler noch Wegzoll abzuknöpfen. Ach ja, Halbtax, Junior- sowie Enkelkarte und das GA sind natürlich nicht gültig.

Die Brücke wurde vom Verein “Panorama-Rundweg Thunersee” erstellt. Er bezweckt den Bau eines 56 Kilometer langen Panoramaweges rund um den Thunersee. Der Weg beinhaltet im Endausbau, gemäss Projekt von 2007, sechs Hängebrücken. Diese sollen völlig neue Wanderperspektiven eröffnen. Dazu ein Zitat von der Webseite des Vereines: “Dank modernster Bautechnik lassen sich Gräben und Schluchten (Cholerenschlucht, Kellischlucht, Riderbachschlucht, Guntenbachschlucht, Chrutbachgraben und Spissigraben) mühelos und sicher überwinden, so wird jede Wanderung mit nur geringen Höhenunterschieden zu einem unvergesslichen Erlebnis.”

Wie bitte!? Nur geringe Höhenunterschiede? Ich soll nicht in diese faszinierenden Schluchten absteigen, nicht die grandiose Natur und die tief eingefressenen Gräben am eigenen Leib erleben? Kein schweisstreibendes Wiederaufsteigen auf der anderen Seite der Schlucht, um triumphierend über die eigene Leistung wieder auf der Höhe zu stehen? Wo liegt denn da der Wanderspass?

Mir bleibt nur ein Querverweis auf meinen Lieblings-Wanderblogger. Thomas Widmer schrieb im Jahre 2010 über ein neues Hängebrücken-Konzept: “Wenn das so weitergeht, kann der letzte Tourismusort, der nicht mitmacht, bald für sich werben mit dem Slogan: garantiert hängebrückenfrei.”

In diesem Sinne plädiere ich für die Einführung des Labels “garantiert hängebrückenfrei”. Es gibt aber schon so viele Labels … Also besser doch nicht, sonst gibts am Schluss ein Label-Wettrüsten. Gut, das ist vermutlich schonender für die Umwelt als Hängebrücken, Plattformen und Seilparks. Aber eben, ein Wettrüsten möchte ich doch vermeiden.

Herzlichst, Ihr einfach-nur-wandern-wollender Schreiber

Gregor A. Ambühl