Kolumne: Leuchtturm auf dem Oberalppass

“Die spinnen, die Sedruner”, würde Obelix wohl verärgert ausrufen, wenn er vom neuesten Streich der touristischen Visionäre gehört hätte. Am Freitag, 15. Oktober 2010 wurde der neue Gotthard-Tunnel durchbrochen. Einen Tag vorher ist auf dem Oberalppass ein zehn Meter hoher, holländisch aussehender Leuchtturm eingeweiht worden.
Das Vorbild für den Leuchtturm stand während vieler Jahrzehnte an der Rheinmündung in Rotterdam. Und nun soll der Nachbau die Rheinquelle “erleuchten” und die Region bekannter machen. Aber nicht genug, 2012 wird der Leuchtturm vermutlich noch einen Rheinfrachter zur Seite gestellt bekommen.

Ein Schiff wird kommen

Der ausgemusterte Frachter hat offenbar zuerst vier Monate lang den Rhein hinaufzutuckern und den Anwohnern einen Besuch der Rheinquelle schmackhaft zu machen. In Basel soll das Schiff zerlegt und mit Lastwagen auf den Oberalppass transportiert, dort wieder zusammengeschweisst und in ein Museum verwandelt werden. Symbolisch sollen so Rheinquelle und Mündung verbunden werden.

Liebe Touristiker, Fachleute und Visionäre. Habt Ihr es noch immer nicht kapiert? Der Tourist kommt unserer Berge, Landschaft und Natur wegen. Und sicher nicht aufgrund irgendwelcher Meeres-Souvenirs in den Bergen. Unsere Besucher wollen unverbaute Landschaften sehen, hohe Berge, Geröllhalden und urchige Bergdörfer. Also weg mit dem Gerümpel – freie Sicht auf die Berge. Bitte.

Touristisches “Jekami”

Ansonsten werden die Holländer irgendwann zurückschlagen und an der Rheinmündung Matter- und andere Hörner aus Plastik, Heididörfer aus chinesischem Holz und ausgemusterte Seilbahnkabinen aufstellen. Schliesslich möchte man Quelle und Mündung symbolisch verbinden. Und wenn die Holländer erst anfangen, werden die Deutschen nicht hinten anstehen sondern auch mitbasteln. Sie leben schliesslich in der Mitte und was die aufstellen werden, daran wage ich gar nicht erst zu denken.

Für den Leuchtturm existiert laut der „Neuen Urner Zeitung“ übrigens erst eine provisorische Baubewilligung. Ein Ankerplatz für das Frachtschiff ist auch noch nicht festgelegt. Kosten soll das Projekt – nicht miteingerechnet den Innenausbau des Schiffs – rund 2,5 Millionen Franken.

Ihr Schreiberling bis dass der letzte Berg zugepflastert und eventisiert ist, Gregor A. Ambühl